Rheumatische Krankheiten sind Volkskrankheiten
Rheumatische Krankheiten
Um mit möglichst klaren Begriffen zu arbeiten, wollen wir unter „Rheuma" das verstehen, was der Kranke selbst so empfindet und nennt, nämlich „Schmerzen an den Bewegungsorganen" als Zeichen, als Symptom der Krankheit, aber nicht als die Krankheit selbst. Es ist ohne weiteres einzusehen, daß solche „Rheuma"-Schmerzen von den verschiedensten Erkrankungen herrühren können. In der ärztlichen Diagnose sollte deshalb das Wort „Rheuma" nicht vorkommen.
Der Begriff „Rheumatische Krankheiten" wird in der Medizin nach der Übung der internationalen Kongresse für dieses Gebiet in wissenschaftlich ebenfalls noch recht weitem und vieldeutigem Sinne gebraucht.
Es umfaßt folgende Hauptformen:
1. Entzündliche Erkrankungen
a) Akuter Rheumatismus, früher akuter Gelenkrheumatismus, (polyarthritis acuta) genannt, heute oft als „rheumatisches Fieber" bezeichnet.
b) Chronischer Rheumatismus mit drei teils mit dem akuten Rheumatismus verwandten, teils abweichenden Typen, nämlich dem sog. sekundär chronischen Rheumatismus, dem chronischen Kokken-Rheumatismus oder postanginösen Rheumatismus und dem primär chronischen Rheumatismus, den die Angelsachsen „rheumatoide Arthritis" nennen.
c) Versteifender Wirbelsäulen-Rheumatismus (spondylitis ankylosans), STRÜMPELL-MARIE-BECHTEREWsche-Krankheit. Diese Form ist ebenso wie der primär chronische Rheumatismus durch bestimmte Eigenheiten ausgezeichnet.
2. Entartende, degenerative Erkrankungen
Sie heißen bei Sitz an den Gelenken Arthrosen, bei Sitz an der Wirbelsäule Spondylosen. Sie beruhen in der Hauptsache auf Alternsvorgängen, Überlastung und Fehlbelastung der Bewegungsorgane.
3. Weichteilprozesse
Diese zuweilen als abartikulärer Rheumatismus bezeichnet. Sie sind meist degenerativen Ursprungs wie die so häufigen schmerzhaften Muskelzustände, die Myalgien, (Muskelhärten). Hierher gehören auch die Neuralgien, wie die Brachialgien am Arm oder die Ischialgien im Verlauf des Hüftnerven (n. ischiadicus).
Wegen seines Sitzes nennt man dieses Leiden gewöhnlich „Ischias", wobei es nicht der, sondern die Ischias heißen muß; sie hängt in der Hauptsache mit Veränderungen der Wirbelbandscheiben (Diskus) zusammen. Ferner gehören hierher Schwellungs- und Schmerzzustände der Sehnen (Tenonitis), der Sehnenansätze (Tendoperiostitis), der Sehnenscheiden (Tendovaginitis) und der Schleimbeutel (Bursitis).
Diese letzte Gruppe finden wir außer bei den degenerativen Leiden nicht selten auch bei den entzündlichen Rheumatismen. Diese können überhaupt alle Organe des Körpers, wie Haut (Knoten in und unter der Haut), seröse Häute (Rippenfell), vor allem das Herz und alle übrigen Eingeweide, befallen. Oft finden wir aber Sehleimbeutel-, Sehnenscheiden- usw. -erkrankungen isoliert.
Der Arzt hat zu entscheiden, ob ihnen im Einzelfalle entzündlich-rheumatische oder nicht entzündlich-entartende Vorgänge zugrunde liegen; das ist natürlich für die unseren Hilfskräften anvertraute Therapie von entscheidender Bedeutung.
Von den zahlreichen Neben- und Sonderformen der rheumatischen Krankheiten soll an dieser Stelle nicht die Rede sein.
Festzuhalten ist, daß der wissenschaftliche Name des Rheumatismus nur der hier unter 1. aufgeführten Gruppe der entzündlichen Erkrankungen zukommt. Diese zeichnen sich klinisch, serologisch und pathologisch-anatomisch durch ganz bestimmte Befunde aus, die es gestatten, sie mit aller praktisch wünschenswerten Genauigkeit von den anderen „rheumatischen" Zuständen, aber auch unter sich schärfer zu unterscheiden.